Zwei Jahre ÖGK - Zwischenbilanz

Seit 31.12.2019 ist die Tiroler Gebietskrankenkasse Geschichte und sie wurde zusammen mit den anderen acht Kassen zur ÖGK (Österr. Gesundheitskasse) mit Sitz in Wien. Diese Fusion wurde von der damaligen türkis/blauen Regierung als tolle Strukturreform verkauft und trotz großer Widerstände durchgesetzt – wie der Politikwissenschaftler A.Pelinka meint, ein echter Kulturbruch in der österreichischen Geschichte.

Der Freundeskreis der TGKK hatte sich schon bei seiner damaligen Gründung unter anderem zur Aufgabe gemacht, die Entwicklung der ÖGK sehr aufmerksam zu beobachten, zu dokumentieren und etwaige Fehlentwicklungen öffentlich zu machen.

Aus diesem Anlass wurde im Innsbrucker ÖGB-Haus ein Vortrags- und Diskussionsabend zum Thema „Zwei Jahre ÖGK – eine Zwischenbilanz“ organisiert.

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Aufzeichnung der Diskussion auf YouTube 

Am Podium saßen Dkfm. Heinz Öhler, ehemaliger Direktor der TGKK, Primar DDr. Elmar Favero, eh. Leiter des Zahnambulatoriums, Mag. Engelbert Pircher, Steuerberater und Dr. Günter Atzl, Direktor der Tiroler Ärztekammer. Moderiert wurde die Veranstaltung von Daniela Schmiderer, bekannt durch ihre Tätigkeit beim ORF.

Im Mittelpunkt dieses Informationsabends standen vor allem die Fragen: Was hat die Reform für die Versicherten gebracht? Für die Mitarbeiter? Wie schaut es mit den angekündigten Einsparungen („Funktionärs -bzw. Patientenmilliarde“) wirklich aus?

Vorweg kann man zusammenfassen, dass von allen Diskussionsteilnehmern die Reformschritte überwiegend kritisch betrachtet wurden, vor allem der überbordende Zentralismus mit seinen langen Entscheidungswegen, die teilweise Demontage der Selbstverwaltung und die Intransparenz auf der Kostenseite.

Durch die Reform wurden die Kompetenzen der Landesstellen massiv eingeschränkt und dafür ein, wie es Dkfm. Öhler nannte, aufgeblähter Führungsstab in Wien etabliert. „Es wurden zwar neun Landesdirektionen eingespart, dafür aber 4 Direktoren plus 32 Manager in der Zentrale installiert.“

Prim. DDr. Favero führte aus, welche Impulse z.B. vom Zahnambulatorium der TGKK einst ausgegangen sind. So wurde erfolgreich das Zahnprophylaxe - Programm für alle Kinder in den Kindergärten und Pflichtschulen entwickelt, sodass inzwischen 80% der jungen Erwachsenen in Tirol kariesfrei sind. Inzwischen ist es aber so, dass in Wien sogar entschieden wird, ob und wer als einfache Zahnarztassistentin in Innsbruck eingestellt wird.

Diese Entwicklung bei der Personaleinstellung betrifft inzwischen die gesamte Verwaltung, da diese Agenden zentral gesteuert werden und nicht mehr draußen in den Ländern.

Die damalige ÖVP / FPÖ Regierung war bei der Reform davon ausgegangen, dass durch diese Reform eine „Milliarde“ eingespart werden kann. Um das zu erreichen, soll in den nächsten Jahren 30 – 40 % des Personals eingespart werden. Dkfm. Öhler: „Wie da die Verwaltung noch funktionieren soll, ist mir schleierhaft. Die Ausdünnung in Landesstellen hat zur Folge hat, dass es für die MitarbeiterInnen kaum noch berufliche Perspektiven gibt.“
Besonders wunderte sich Dkfm. Heinz Öhler, dass von den Landesstellen zwar Gebarungsvorschauen erstellt werden müssen, aber keine Rechnungsabschlüsse mehr aufscheinen. „Wie da ein halbwegs geordnetes Gesamtbudget erstellt werden kann, erschließt sich mir nicht.“

Dkfm. Heinz Öhler wies auch auf weitere Schwachstellen bei den Finanzen hin. So wunderte er sich, dass es ihm nicht gelungen sei, Zahlen über die laufenden Kosten der Zusammenlegung zu eruieren. „Entweder werden diese geheim gehalten, oder sie gibt es schlicht nicht.“

Direktor Dr. Atzl von der Ärztekammer beklagte ebenfalls die ausufernde Bürokratie des herrschenden Zentralismus. „Früher wurden Entscheidungen direkt vor Ort getroffen, öfters auch innerhalb von ein , zwei Tagen, heute dauern solche Entscheidungen oft monatelang.“

Auch wurde das Versprechen „gleiche Leistungen für gleiche Beiträge“ nicht annähernd umgesetzt. Angekündigt wurde diese Fusion mit den populistischen Schlagworten „Patientenmilliarde statt Funktionärsmilliarde“ und „Gleiche Leistungen für gleiche Beiträge“. Übrigens : der Aufwand für alle Funktionäre zusammen betrug damals österreichweit knapp 7 Millionen €.

Allein Mag. Pircher konnte eine positive Änderung vermelden. Die Form der Meldungen und der Beitragseinhebung wurde – allerdings schon ein Jahr vor der Zusammenlegung – vereinfacht ; das bringe für die Lohnverrechnungen eine deutliche Erleichterung.

Ein Zuhörer aus dem Publikum meinte in seinem Diskussionsbeitrag, dass die Strukturreform ausschließlich der politischen Machtverschiebung in der Selbstverwaltung gedient hat. Es sei lediglich darum, „Rot raus – türkis rein“ gegangen.

In seinem Schlusswort zog Dr. Hengl dahingehend Bilanz , dass durch die Fusion unter der Ägide der angeblichen Föderalismuspartei ÖVP ein bedenklicher bürokratischer Zentralismus Platz gegriffen und damit die Bürgernähe stark gelitten hat.

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